Oktober 2022, Derby, Millerntor. Ein Sankt-Pauli-Fan liegt widerstandslos bäuchlings auf dem Boden. Über ihm ein Polizist, der die Beine fixiert. Ein anderer Beamter kniet auf dem Kopf des Fans und schlägt immer wieder gezielt mit den Fäusten in dessen Milz, Leber und Nieren. Im Anschluss traktiert er mehrfach das Gesicht mit seinem Ellenbogen. Das Video endet, doch die Bilder bleiben. Sie verbreiteten sich innerhalb kürzester Zeit in den sozialen Medien und sorgten bundesweit für Entsetzen. Viele Fans unterschiedlichster Vereine beteiligten sich an der Debatte rund um Polizeigewalt. Auch der FC St. Pauli von 1910 e.V. äußerte sich öffentlich und stellte die dringende „Frage nach der Verhältnismäßigkeit“.
Selbst die Polizei Hamburg, nicht gerade bekannt für ihre Selbstkritik, sprach am 14.10.2022 in diesem Zusammenhang von einer „Prüfung der Recht- und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme“. Was folgte, war schlicht: Nichts! Zuerst teilte man noch im selben Monat mit, dass „zu Angelegenheiten der Bundespolizei im Zusammenhang mit Parlamentarischen Anfragen eines Landesparlaments keine Beantwortung“ erfolge. Dann verwies man knapp zwei Monate später darauf, „vor dem Hintergrund laufender strafrechtlicher Ermittlungen„ keine Angaben zu machen. Im Mai 2023 stellte sich dann heraus, dass „im Zusammenhang mit dem Einsatz […] gegen [nur] einen[!] Beamten der Bundespolizei wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt“ wird. Solange diese strafrechtlichen Ermittlungen jedoch liefen, sei der besagte Beamte NICHT mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen konfrontiert.
Anscheinend gilt statt kritischer Aufarbeitung noch immer das ‚Feindbild Fußballfan‘. Solange es Fans trifft, egal wie hart, egal wie doll, haben Polizist:innen keinerlei Konsequenzen zu fürchten. Oder wie es der Polizeiwissenschaftler Alexander Bosch gegenüber der Braun-Weissen Hilfe formuliert: Es gibt „keine unabhängige staatliche Instanz[, die] fragt […], ob der polizeiliche Umgang mit Fußballfans oder Demonstrierenden angemessen ist“.
Jetzt, neun Monate später, da der öffentliche Fokus verschwunden scheint, folgt ein Nachtreten der Polizei Hamburg. Denn in den letzten Tagen erhielten etliche St.-Pauli-Fans Post. Sie sehen sich zum Teil mit schwerwiegenden und für sie unerklärlichen Vorwürfen konfrontiert. Inwieweit diese Vorwürfe juristisch tragfähig sind, ist aus Sicht der Braun-Weissen Hilfe fragwürdig. Das eigene polizeiliche Fehlverhalten bleibt unaufgearbeitet. Stattdessen versucht man weiterhin, Fußballfans zu kriminalisieren – ein durchschaubares Frustfoul.
Solltest Du ebenfalls betroffen sein, lass Dich nicht durch die Vorwürfe unter Druck setzen – wende Dich vertrauensvoll an die Fanhilfe oder den Fanladen. Wir stehen an Deiner Seite und zeigen Polizeigewalt die Rote Karte!
Sankt Pauli hält zusammen!
Braun-Weisse Hilfe | August 2023