Amtsrichter Krieten und der ‚bessere‘ Einblick in die Arbeit der Polizei – ein offener Brief

Sehr geehrter Herr Krieten,
am 29.07.2024 erschien im Hamburger Abendblatt, der Artikel „Wenn Richter zu Demonstrationen und ins Fußballstadion gehen„. In diesem stellten Sie einer breiteren Öffentlichkeit das von Ihnen initiierte Projekt vor, bei welchem Richter*innen die Möglichkeit erhalten, bei der Hamburger Polizei zu hospitieren. Die Autorin des Artikels, Bettina Mittelacher, beschrieb den Zweck wie folgt: Das Projekt wolle „die Arbeit von Justiz und Polizei besser verzahnen – ohne dabei die kritische Distanz zu verlieren“. Entsprechend positiv bewertete dann auch, Polizeisprecher Florian Abbenseth, Ihre Initiative. Demnach seien, „die Hospitationen […] eine perfekte Gelegenheit, um unsere Arbeit [d.h. die der Polizei] und gerade auch die Abläufe dahinter besser kennenzulernen“. Es handele sich dabei um ein „Erfolgsmodell“ und das „auf ganzer Linie“. 
Leider wecken solche Aussagen berechtigte Zweifel daran, ob das Verständnis polizeilicher Abläufe wirklich, wie behauptet, dazu geeignet ist, „die polizeiliche Arbeit kritisch zu hinterfragen“ oder diese nicht vielmehr zu einer größeren Nähe der Beteiligten führt.

Als Fanhilfe sehen wir hier vielmehr ein grundlegendes Prinzip des Rechtsstaats infrage gestellt –  das der Gewaltenteilung. Zwar sind die einzelnen Staatsorgane jeweils miteinander verschränkt, um politisch wirksam handeln zu können, dennoch sind sie voneinander unabhängig. Dieses Prinzip der Gewaltenteilung soll die Konzentration politischer Macht begrenzen, ihren Missbrauch vorbeugen und die bürgerlichen Freiheiten sichern. Zweifel an der Unabhängigkeit, und seien es nur geringfügige, sind unserer Ansicht nach für eine Demokratie schädlich.

Sie sprechen davon, „Einsätze im Fußballstadion verfolgt“ zu haben, dort käme „es häufig zu Situationen mit mehreren Beteiligten, die eine besondere Dynamik entwickeln“ würden. Diese sogenannte Dynamik kennen wir als Fußballfans nur allzu gut. Sie nennt sich oftmals übermäßige Gewaltanwendung durch Polizist*innen.
Laut dem Forschungsprojekt KviAPol der Goethe-Universität Frankfurt a.M. kommt „der einfache Schlagstock […] am häufigsten bei Fußballspielen […] zum Einsatz“ (Abdul-Rahman et al. 2023: 94). Auch ist „erwartungsgemäß […] der Einsatz von Reizgas (Pfefferspray) bei […] Fußballspielen/anderen Großveranstaltungen (61 %) im Vergleich zu sonstigen Einsätzen deutlich erhöht (ebd.: 91). Das Risiko, als Fußballfan von unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizist*innen betroffen zu sein, kann demnach als vergleichsweise hoch angesehen werden.

Es mag interessiert klingen, wenn eine Richter*in ihre Verwunderung äußert, „mit welchem polizeilichen Aufwand ein Fußballspiel St. Pauli gegen Hansa Rostock begleitet wird“. Oder der Vorsitzende Richter am Landgericht, Stefan Philipp, im Rahmen seiner Hospitation der 2. Bundesligapartie HSV gegen den FC St. Pauli davon spricht, er habe „dadurch […] einen authentischen Einblick in die Arbeit der Polizei bekommen“. All diese Erfahrungen bleiben einseitig – denn sie speisen sich ausschließlich aus einer polizeilichen Sicht, die sich nun in „mehr als 80 Hospitationen“ verfestigt hat.

Im Kontext von Fußball, Fans und Fankultur kann es folgerichtig nur heißen, erweitern Sie ihre Perspektive und setzen Sie sich mit den Expert*innen auf dem Feld selbst auseinander – den Fußballfans! Wir bieten Ihnen, als Braun-Weisse Hilfe, die Gelegenheit, zum offenen Gesprächsaustausch. Überwinden Sie die strukturell bedingte Einseitigkeit der Betrachtung – Herr Krieten schreiben Sie der Braun-Weissen Hilfe/ info@braunweissehilfe.de.

Frei nach dem Motto: „Wenn mir etwas wichtig ist, dann mache ich das auch zu 150 Prozent“ – wir nehmen Sie beim Wort!

Mit braun-weissen Grüßen
Ihre Fanhilfe

Literatur

Abdul-Rahman, Laila/  Espín Grau, Hannah/ Klaus, Luise/ Singelnstein, Tobias (2023) Gewalt im Amt – Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung. Fankfurt a.M.
 
Mittelacher, Bettina (2024) Wenn Richter zu Demonstrationen und ins Fußballstadion gehen. Hamburger Abendblatt. Hamburg. https://www.abendblatt.de/hamburg/politik/article406880974/wenn-richter-zu-demonstrationen-und-ins-fussballstadion-gehen.html