St. Paulis Rabauken & die Polizei

Unter dem Titel Der September bei den Rabauken: Ein Monat voller Spaß und Wissenswertem“ berichtete die Vereins-Homepage des FC St. Pauli am 07. Oktober 2024 von einem Besuch der Rabauken auf der Hamburger Davidwache.  Die Kids hätten vor Ort „einen guten Einblick in die Arbeit der Polizei erhalten: „vom Polizeiauto über den Fitnessraum bis hin zu einer echten Zelle“. „Spannend“ sei es beim Besuch der Waffenkammer geworden. Die Kinder hätten „hoffentlich viel neues Wissen mit nach Hause nehmen“ können.

Eine Hoffnung, die wir aus Perspektive der Fanhilfe kritisch hinterfragen möchten. Denn inwieweit ein solch einseitiges Angebot für Kinder und Jugendliche bis 13 Jahre dazu geeignet ist, die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Institution Polizei darzustellen, ist äußerst fragwürdig.

Unabhängig davon, wie einzelne Polizist*innen das Angebot gestalten, bleiben strukturelle Defizite der Institution Polizei zwangsläufig unbeachtet. So kennzeichnet die Polizei laut Tobias Singelnstein & Benjamin Derin immer auch das Aufrechterhalten einer ungleichen Ordnung. Sie orientiert sich dabei an der Perspektive der Mehrheitsgesellschaft und setzt sich besonders intensiv mit gesellschaftlichen Minderheiten und Marginalisierten auseinander. Die polizeiliche Aufmerksamkeit, und im Zweifel auch die übermäßige Gewaltanwendung im Amt, gelten dann genau diesen Gruppen. Das sogenannte Overpolicing betrifft unter anderem immer wieder uns Fußballfans!

Der Institution Polizei, die sich selbst gerne auch als Polizeifamilie bezeichnet und so zu einer Cop Culture neigt, fehlt es an Transparenz, Offenheit und einer Fehlerkultur. Es macht sie anfällig für Phänomene wie institutionellen Rassismus und weitere Formen der Diskriminierung. Auch verwehrt sich die Polizei aus einer inneren Organisationslogik heraus gerne externer Kontrolle. Eine Kontrolle, die für eine Demokratie wesentlich ist. Ob eine geführte Besichtigung der Davidwache tatsächlich den Polizeialltag dort wieder gibt, muss ebenfalls bezweifelt werden. So dürften den Kindern in diesem Rahmen kaum Szenen vor Augen geführt worden sein, bei denen Menschen, welche der Subkultur der Punkszene angehören, über den Boden geschleift und an deren Ketten gezogen werden, bis schlussendlich ihre Ohrringe so brutal mit einer Kneifzange abgeschnitten werden, dass sie bluten. Derlei Ereignisse, welche sich auf eben jener Davidwache zutrugen, waren sicherlich nicht Teil des Besuchs.

Trotz aller systemischer Kritik geht es an dieser Stelle allerdings nicht um eine grundlegende Ablehnung der Institution Polizei. Vielmehr soll berechtigterweise gefragt werden: Ist der Besuch einer Polizeiwache, inkl. echter Zelle und Waffenkammer, ein geeignetes Mittel, um die Polizei in ihrer Komplexität kennenzulernen? Und wenn ja, ist dieses Mittel für Kinder und Jugendliche geeignet? Oder sollten wir in Hinblick auf ein demokratieförderliches Bildungs- und Erziehungsverständnis nicht nach Alternativen im Stadtteil suchen? Welche Angebote existieren, die Kinder und Jugendliche zu verantwortungsvollen, mündigen und kritischen Bürger*innen machen?

Wir fordern als Braun-Weisse Hilfe daher den FC St. Pauli dazu auf, solche und ähnliche Kooperationen zukünftig zu unterlassen! Es braucht keinen Besuch einer Waffenkammer, sondern sozialkompetente, mündige und kritische Bürger*innen. Ähnlich wie die, welche sich in der Vergangenheit aktiv und erfolgreich gegen eine Polizeiwache im Millerntor-Stadion ausgesprochen hatten.

No Copaganda – Fankultur stärken!

Braun-Weisse Hilfe | Oktober 2024