Die unerträgliche Polizeigewalt beim Hamburger Derby – ein strukturelles Versagen?!

Die sogenannte „Hamburger Linie“ und die mit ihr einhergehende eskalative Einsatzstrategie sorgte bundesweit wieder einmal für große Aufmerksamkeit. Rund um das Hamburger Derby am 14.10.2022 im Millerntor-Stadion kam es seitens der Polizei zu massiver Gewalt gegenüber Fussballfans.
Der FC St. Pauli sowie zahlreiche weitere Akteur:innen äußerten sich hierzu bereits. Etwa forderte der Verein eine sofortige Aufarbeitung in Anbetracht des gewalttätigen Vorgehens seitens der eingesetzten Polizist:innen. Daneben äußerten sich auch zahlreiche (Fan-)Medien ausführlich zu den Geschehnissen, wie u.a. Magischer FC Blog [Link] oder der Millernton [Link]

Letztgenannter beschreibt die Ausgangslage wie folgt:

„Als der Marsch der HSV-Fans die Glacischaussee erreichte, bewegten sich Fans des FCSP aus dem Bereich der Gegengerade und Südkurve in diese Richtung. Weit bevor sie dort ankamen, folgte schon eine Bewegung zurück, da sich auf dem Heiligengeistfeld Polizeikräfte befanden. Nach dem Rückzug der FCSP-Fans hatte sich die Situation eigentlich wieder beruhigt.“ – Millernton

Dieses deckt sich mit den den Beobachtungen der Braun-Weissen Hilfe. Die polizeiliche Aufgabe der sogenannten „unmittelbaren Gefahrenabwehr“ hatte zu diesem Zeitpunkt also bereits stattgefunden. Warum kam es dann trotzdem zu massiver körperlicher Gewalt gegenüber Fans des FC St. Pauli?
Anscheinend gab es seitens der eingesetzten Polizist:innen das Interesse, ein Exempel zu statuieren. Anders ist es nicht zu erklären, dass Polizeibeamt:innen wieder bis zum Stadion liefen und dort Fans körperlich in der Menschenmenge attackierten. Die Angriffe richteten sich hierbei gegen Fans, von denen die Polizei annahm, sie hätten zuvor der Gruppe angehört, die sich in Richtung Glacischaussee bewegt hatte. Äußerliche Merkmale wie bspw. eine schwarze Jacke schienen hierfür bereits auszureichen. 
Insbesondere das Ausmaß und die Qualität der Gewalt waren erschreckend. Die eingesetzten Techniken waren professionell und das Vorgehen rabiat. Beides legt den Schluss nahe, dass es den Polizist:innen insbesondere darum ging, möglichst große körperliche Schäden zu erzielen. So berichten betroffene Fans, sie hätten keinerlei „Widerstand“ geleistet und seien trotzdem weiterhin körperlich angegangen wurden. Dabei wurden Fans z.T. schwer verletzt.

Dieses eskalative und unverhältnismäßige Vorgehen lässt eine hohe persönliche Motivation erkennen. Dazu passen auch Berichte, einzelne Polizist:innen hätten beispielsweise „nur der hsv“ gefunkt. Ein einzelner Beamter zeigte darüber hinaus den sogenannten „Hiltergruß“ und beleidigte einen Fan auf persönlicher Ebene. Die Fanhilfe steht mit diesem bereits in Kontakt. 

Die Vorfälle zeigen, dass die Einsatzleistung der Hamburger Polizei am Spieltag entweder weiterhin eskalativ gegenüber Fussballfans vorgehen möchte, oder aber die eingesetzten Polizeibeamt:innen nicht unter Kontrolle hat. Beides erachten wir als höchst problematisch, zumal es sich bei den Leidtragenden dieser eskalativen Linie oftmals um gerade junge Menschen handelt. In der Vergangenheit hatte die Braun-Weisse Hilfe mehrfach auf diese Missstände hingewiesen, zuletzt in unserem Statement zum fehlenden Demokratieverständnis der Polizei Hamburg [Link]. 
Stattdessen erinnern die Aussagen von Zeug:innen sowie vorliegendes Bildmaterial hier an die Polizeigewalt rund um den G20-Gipfel in Hamburg. Zu befürchten bleibt, dass die jetzt angekündigte interne Aufarbeitung der Geschehnisse durch die Polizei Hamburg abermals im Sande verläuft und zu keinerlei Konsequenzen führt. So sprach Polizeisprecherin Levgrün in Anbetracht der unverhältnismäßigen Polizeigewalt davon: „[…] aber es muss nun mal sein„. Wer versucht, das eigene Fehlverhalten in der Form zu rechtfertigen, kann als Institution keine unhabhängige (interne) Aufarbeitung gewährleisten.

Als Fanhilfe werden wir den weiteren Aufarbeitungsprozess kritisch begleiten.

Wir wünschen allen Betroffenen eine gute Besserung! Werdet schnell wieder gesund, wir bleiben dran, denn Sankt Pauli hält zusammen!

Braun-Weisse Hilfe |  Oktober 2022