Magdeburg: Eine eskalative Polizei und ein Ordnungsdienst mit Messer – wenn Fußballfans zum Feindbild werden

Am 10. Februar 2024 gastierte der FC St. Pauli beim 1. FC Magdeburg, dabei kam es auf der Rückreise der Gästefans aus Hamburg zu massiven Angriffen der Polizei auf die Anhänger*innen aus der Hansestadt.

Dabei verlief die Anreise noch ohne nennenswerte Ereignisse. Ohne Polizeibegleitung fuhren ca. 400 St. Pauli-Fans per Zug nach Magdeburg. Trotz der Enge war die Fahrt geprägt von einer aufmerksamen und solidarischen Grundstimmung, auch und gerade gegenüber anderen Reisenden. In Magdeburg angekommen, ging es gemeinsam fußläufig zum Stadion.

 

Am Einlass? Ein Ordner mit Messer!

Dort angekommen fiel auf, dass der Ordnungsdienst sich in einem konfrontativen Verhältnis zum Gästeanhang sah. Denn es trugen mehrere Order*innen Handschuhe mit Protektoren oder Quarzsandfüllung, zur Verstärkung von Faustschlägen. Ferner fiel bei einem Ordner auf, dass dieser sogar ein sichtbares Messer(!) mit sich führte. Zu welchem Zweck er dieses tat, bleibt uns als Braun-Weisser Hilfe schleierhaft.

Überdies meldeten sich inzwischen mehrere St. Paulianer*innen bei der Braun-Weissen Hilfe. Nicht alle Schilderungen und Ereignissen können und wollen wir in Absprache mit den Betroffenen hier veröffentlichen. Gleichwohl waren die Einlasskontrollen zum Teil geprägt von massiver NICHT-Berücksichtigung der Intimsphäre. Darüber hinaus wurden FCSP-Fans übermäßig lange kontrolliert. So beschreibt ein St. Pauli-Fan die Situation wie folgt: „Mein Ordner hat mich über 5min kontrolliert, ich sollte […] mein Portemonaie komplett leeren […]. Zudem musste ich mein Feuerzeug abgeben“. Auch wurden Gegenstände wie Nasensprays oder Desinfektions-Gels für Hände einbehalten.

Für uns als Fanhilfe steht daher fest: Ein hochgerüsteter Ordnungsdienst, der über die üblichen Kontrollen hinausgeht, ist nicht zu akzeptieren! Hier muss der 1. FC Magdeburg im Sinne aller Fußballfans tätig werden und den Ordnungsdienst im Gästebereich personell reformieren!

 

Ein katastrophales Abreisekonzept und seine Folgen

Für den mit rund 2750 Steh- und Sitzplätze ausverkauften Gästebereich standen insgesamt nur 3 (!) Shuttlebusse für den Rückweg zur Verfügung. Diese fuhren die Gästefans vom Magdeburger Heinz-Krügel-Stadion zum 4,6km entfernten Bahnhof Herrenkrug, anstatt direkt zum 4,3 km entfernten Bahnhof Neustadt. Am Bahnhof Herrenkrug wiederum mussten die Fans aus Hamburg eine Station zum Neustädter Bahnhof fahren – einer Verbindung, die ausschließlich zweimal stündlich im Abstand von knapp 10 Minuten angeboten wird. 

Am Bahnhof Neustadt stiegen die Hamburger Fans in den Zug nach Uelzen. In diesem Moment entwickelte sich eine unübersichtliche und konfuse Situation, denn die auf dem Bahnsteig positionierte Bundespolizei reagierte direkt körperlich eskalativ. Einerseits versuchte sie durch körperliche Gewalt im vorderen Teil des Zuges, in welchem sich auch Magdeburger Anhänger*innen befanden, St. Pauli Fans zum Aussteigen zu zwingen.
Andererseits griff sie weiter am Zugende stehende St. Paulianer*innen an, welche wiederum noch auf dem Bahnsteig standen und den direkten Einstieg aufgrund von ihrer Unvollständigkeit ablehnten. Der Umstand, dass der Shuttlebus-Service für die Gästefans nicht funktionierte und damit Teile der Fanszene noch nicht am Bahnhof Neustadt eingetroffen waren, hat wesentlich zu der unübersichtlichen Situation am Bahnhof beigetragen.

Die Polizeikräfte setzten Faustschläge, Kniestöße und Fußtritte gegen die St. Paulianer*innen ein. Mehrere Personen wurden augenscheinlich schwerer verletzt. Zu befürchten ist aber, dass die bisherige Bestandsaufnahme nur ein Bruchteil der Geschehnisse zeigt. Ein Gesamtbild der Lage wird sich erst in den nächsten Tagen ergeben (können). Dennoch steht schon jetzt fest, dass das desaströse An- und vor allem Abreisekonzept erst zu einer Situation geführt hat, in der wiederum die Polizist*innen massiv und ohne Vorwarnung physische Gewalt gegen St. Pauli Fans einsetzten! Beides ist nicht zu rechtfertigen und bedarf aus Sicht der Braun-Weissen Hilfe dringend einer kritischen Aufarbeitung.

Positiv muss hervorgehoben werden, dass die Fans des 1. FC Magdeburg im Zug selbst sich solidarisch zeigten. Sie boten etwa medizinische Unterstützung oder freie Sitzplätze an. Hier lässt sich einmal mehr erkennen, dass trotz aller Fanrivalität inzwischen viele Fußballfans Polizeigewalt ganz genau (er)kennen und ohne zu zögern direkt ihre Unterstützung anbieten.

 

Die Folgen

Wir wünschen allen verletzten St. Pauli-Fans eine gute Besserung! Sofern Du selbst von Polizeigewalt betroffen bist, gilt: Lass deine Verletzungen durch ein ärztliches Attest attestieren, fertige ein Gedächtnisprotokoll der Ereignisse an und melde Dich bei der Braun-Weissen Hilfe! Wir stehen immer an Deiner Seite!

Für den 1. FC Magdeburg muss gelten, die Evaluierung und Reformierung des Ordnungsdienstes im Gästebereich voranzubringen. In der Vergangenheit aufgefallene Ordner*innen dürfen zukünftig nicht mehr eingesetzt werden. Fanrechte sind durch entschiedene Maßnahmen weiter zu stärken!

Die polizeiliche Einsatzführung ist angehalten, ihr bisheriges An- sowie Abreisekonzept kritisch zu prüfen und im Anschluss entsprechend zu ändern! Es muss insbesondere eine problemlose, gemeinsame Abreise aller Gästefans möglich sein! Die eskalativen Angriffe auf St. Pauli-Fans müssen zudem kritisch innerhalb der Polizei aufgearbeitet werden. Als Braun-Weisse Hilfe halten wir eine öffentliche Entschuldigung seitens der Polizei für einen angemessenen Anfang dieses Prozesses, denn Grund- und Menschenrechte gelten auch für Fußballfans!

Sankt Pauli hält zusammen!

Braun-Weisse Hilfe | Februar 2024